Existenzberechtigung Teil 1
Von der Not ohne ich allein zu sein
Wenn ich in einem Lebensumfeld aufgewachsen bin, in dem das eigene Ich nicht sein durfte, fehlt ein gesunder Bezug zum eigenen Ich. So lange das eigene Ich nicht vorkommen darf, besteht keine Möglichkeit sich selbst zu entwickeln und sich selbst in seinem eigenen Sein als eigenständiges Wesen wahrzunehmen. Ein gesundes Gefühl von „Ich Bin“ ist nicht vorhanden.
Wenn das eigene Ich im individuellen Handeln von nahen Bezugspersonen nicht bestätigt wird, entsteht ein „Vakuum“ und die Notwendigkeit sich selbst auf
anderem Wege eine emotionale Existenzberichtigung zu erarbeiten. Der Wunsch gesehen zu werden und wichtig zu sein führt zu dem Versuch, anderen dienlich zu sein um deren Aufmerksamkeit doch noch zu gewinnen.
So lange unser Überleben von Personen abhängt, die uns nicht beachten, sind wir in großer Not. Die Not ohne Existenzberechtigung zu überleben führt zur Unterwerfung in einem Bindungssystem, in dem unser persönlicher Wert nur an dem Nutzwert und Gebrauchswert für andere gemessen wird. In solch einem Bindungssystem lernen wir, uns selbst ausschließlich durch den Nutzwert zu definieren, den wir für andere haben. Ohne die anderen gibt es uns nicht. Ohne die anderen sind wir selbst nichts wert. Aus dieser Erfahrung erklärt sich auch eine lebenslange Aufopferung und für Außenstehende unverständliche Hörigkeit gegenüber Personen, die einen wie Dreck oder Luft behandeln.
Durch die fehlende Bindung zu eigenen, gesunden Strukturen, entwickelt sich die Notwendigkeit, das eigene Selbst im Kontakt mit anderen zu gestalten.
Der Preis sich auf diesem Wege zu definieren, führt schnell in einen Kreislauf von Fremdbestimmung und Abhängigkeit, der von anderen oft bewusst initiiert wird. Die Abhängigkeit kann dabei so groß werden, dass wir nur das tun und sein können, was andere von uns verlangen. Bindungen, die sich in frühen Abhängigkeitsverhältnissen auf diese Weise entwickeln, führen nicht selten zur Unterwerfung an eine Person oder Gruppe, an die wir über deren Tod hinaus gebunden bleiben. Da wir nur über die Person oder Gruppe an das Gefühl kommen konnten „zu sein“, fühlen wir uns ohne diese Person oder Gruppe zwangsläufig als „Nichts“. Aus diesen Zusammenhängen wird verständlich, warum Menschen aus solchen Abhängigkeitsverhältnissen nach dem Tod ihrer Bezugspersonen oft versuchen, die eigenen Gefühle von Sinnlosigkeit und Nutzlosigkeit durch Freitod zu beenden. Sie vollenden damit bewusst und konsequent, was die anderen begonnen haben. Unbewusst und unreflektiert bleibt dabei natürlich die eigene Freiheit, sich selbst zu einer unabhängigen autonomen Persönlichkeit zu entwickeln. Eine geeignete und gesunde Starthilfe durch lebensbegleitende, therapeutische Beratung ist hier sehr empfehlenswert.
Wenn die Erfahrung fehlt, dass das eigene Ich eine Existenzberechtigung hat die nicht verdient werden muss, sind die eigenen Ich-Strukturen noch nicht entwickelt. Der gesunde Kontakt zu eigenen Ich-Strukturen macht unabhängiges, autonomes Handeln erst möglich.
In unserer Begleitung kann so ein „Kontakt“ und Schritt in die eigene Freiheit mit der „Selbstbegegnung durch den Anliegesatz“ erfolgen. Möglichkeiten dazu gibt es in
Einzelsitzungenund an Seminartagenweiter zu - Wagnis -